Aufgehende Sterne, aufgenommen am „Glacier Point“, einer Aussichtsplattform im „Yosemite National Park“, Kalifornien, USA. Die Gesamtbelichtungszeit betrug fast vier Stunden.
Teil 2: Strichspuraufnahmen von Sternen
Dass die Sonne im Osten aufgeht, um die Mittagszeit im Süden ihren Höchststand erreicht und abends im Westen wieder untergeht, ist jedermann bekannt. Früher nahmen die Menschen an, dass tatsächlich die Sonne um uns kreist. Nun, heute wissen wir es besser: Es ist die Erde, die sich in rund 24 Stunden einmal um ihre Achse dreht. Wir befinden uns also gewissermaßen auf dem „Karussell Erde“ und betrachten von dort aus den Himmel.
Das bedeutet auch, dass diese immerwährende Bewegung nicht nur von der Sonne, sondern von auch allen anderen Objekten im Universum vollführt wird. Tatsächlich folgen auch der Mond, die Sterne und Planeten dieser Gesetzmäßigkeit; auch sie gehen im Osten auf, kulminieren im Süden und gehen im Westen wieder unter.
Um diese Himmelsmechanik noch besser zu verstehen, können wir uns den Himmel einmal als riesige Hohlkugel vorstellen, in dessen Zentrum die rotierende Erde steht. Auf der Innenseite der Hohlkugel sind alle Gestirne angebracht. Die Erde selbst, auf der wir stehen, versperrt uns den Blick auf die Hälfte dieser „Himmelskugel“, nämlich auf alle Objekte, die gerade unter dem Horizont stehen. Für den Beobachter scheint sich diese Himmelskugel zu drehen, weil die Erde als ruhend empfunden wird. Dreh- und Angelpunkt dieser Himmelsbewegung ist jene Stelle, an der die verlängerte Rotationsachse der Erde die Himmelskugel durchstoßen würde. Von der Nordhalbkugel der Erde aus gesehen ist das der sogenannte Himmelsnordpol, in dessen unmittelbarer Nähe (zufälligerweise) der Polarstern steht.
Diese Strichspuraufnahme des nördlichen Himmelspols zeigt deutlich, dass der Polarstern nur in der Nähe, aber nicht exakt am nördlichen Himmelspol steht. Die helle, kurze Strichspur rechts oberhalb des Pols ist der Polarstern.
Der Himmelsnordpol, also in erster Näherung der Polarstern, ist also immer in Blickrichtung „Norden“ zu finden. Die Höhe des Himmelsnordpols über dem Horizont entspricht exakt der geografischen Breite des Beobachtungsortes. In Frankfurt am Main also rund +50 Grad. Versetzen wir uns gedanklich einmal in die beiden Extrempositionen Nordpol und Äquator:
Nordpol
Würden wir vom Nordpol der Erde aus beobachten, beträgt die geografische Breite +90 Grad, d.h. der Polarstern würde im Zenit, dem höchsten Punkt am Himmel, über unseren Köpfen stehen. Um ihn herum würden alle Sterne kreisen, und zwar auf Bahnen, die parallel zum Horizont verlaufen. Mit anderen Worten: Von dort aus ist immer der gleiche Sternenhimmel zu sehen, kein Stern geht auf oder unter. Der südliche Teil der Himmelskugel bleibt einem von dort aus für immer verborgen.
Äquator:
Am Äquator beträgt die geografische Breite 0 Grad, der Himmelsnordpol steht also exakt am Horizont in Nordrichtung, am Horizont in Südrichtung entsprechend der Himmelssüdpol. Am gesamten Horizont in östlicher Richtung gehen alle Sterne auf und ziehen auf einer steilen Bahn über den Himmel, bis sie im Westen wieder untergehen. Innerhalb von 24 Stunden wäre der komplette Sternenhimmel zu sehen, sowohl der Nord- als auch der Südhimmel. Wenn, ja wenn nicht irgendwann die Sonne aufgehen würde. Doch die bewegt sich innerhalb der Sterne im Jahreslauf voran, sodass vom Äquator aus tatsächlich im Laufe eines Jahres der gesamte Sternenhimmel beobachtet werden kann. Das ist der Grund, warum die meisten Großsternwarten in der Nähe des Äquators gebaut werden.
Deutschland:
Wie sind die Verhältnisse in Deutschland? Deutschland liegt zwischen diesen beiden Extremen; die südlichsten Landesteile haben eine geografische Breite von ca. +47, die nördlichsten etwa +55 Grad. In dieser Höhe steht also der Himmelsnordpol mit dem Polarstern. Alle Sterne, die nicht weiter als dieser Winkelbetrag vom Himmelsnordpol entfernt sind, gehen hierzulande niemals unter. Sie sind in jeder klaren Nacht am Himmel zu sehen und werden „Zirkumpolarsterne“ genannt. Das bekannteste Sternbild, der „Große Wagen“, besteht zum Beispiel aus zirkumpolaren Sternen und ist immer sichtbar. Im Gegensatz dazu steht das Sternbild „Orion“ nur zu bestimmten Jahres- und Uhrzeiten über dem Horizont, weshalb es als „Wintersternbild“ bekannt ist.
Strichspuraufnahmen
Wird eine Kamera auf einem Fotostativ montiert und auf den Sternenhimmel gerichtet, dann hinterlassen die Sterne bei langen Belichtungszeiten Lichtspuren und erscheinen aufgrund ihrer scheinbaren Bewegung strichförmig. Diese Strichspuren werden umso länger, je
• länger die Belichtungszeit ist,
• länger die verwendete Aufnahmebrennweite ist und
• weiter die fotografierte Himmelsregion von einem der beiden Himmelspole entfernt ist, weil sich dort die Sterne am schnellsten bewegen.
Himmelsrichtungen bestimmen
Für die Planung der Strichspuraufnahmen ist es nützlich, die Himmelsrichtungen zu kennen. Dazu kann natürlich ein Kompass benutzt werden. Oder man sucht den Aufnahmestandort an einem sonnigen Tag zur Mittagszeit auf. Wenn die Uhren auf Sommerzeit eingestellt sind, ist 13:00 Uhr die richtige Zeit, während der Winterzeit 12:00 Uhr mittags. Nun stellt man sich so auf, dass die Sonne genau im Rücken steht, der eigene Körperschatten also geradewegs nach vorne zeigt. Dann ist Norden die Richtung, in die man blickt. Gegenüber, also im Rücken, liegt Süden. Zur Rechten ist Osten, links Westen. Damit sind alle Himmelsrichtungen identifiziert.
Betrachten Sie Ihren Schatten an einem sonnigen Tag zur Mittagszeit, dann können Sie alle Himmelsrichtungen bestimmen (N=Norden, S=Süden, W=Westen, O=Osten).
Die für Strichspuraufnahmen notwendige Ausrüstung hält sich in Grenzen. Als Kamera kommt jede digitale Spiegelreflexkamera infrage. Beim Objektiv ist darauf zu achten, dass eine Blende von etwa mindestens 1:4,5 einstellbar ist, lichtstärkere Objektive sind zu bevorzugen. Die Brennweite spielt keine Rolle und kann - je nach gewünschtem Bildausschnitt - frei gewählt werden. Für den Start würde ich aber Brennweiten bis maximal 50 Millimeter empfehlen.
Zudem benötigen Sie:
• Stabiles Stativ
Es muss während der gesamten Belichtungszeit die Kamera zuverlässig fixieren und sollte auch einem Windstoß trotzen können.
• Kabelauslöser / Timer
Um die Kamera auszulösen, ohne sie berühren zu müssen. Für Strichspuraufnahmen sind programmierbare Timer von großem Vorteil, mit deren Hilfe sich ganze Aufnahmeserien automatisieren lassen. Für Canon-EOS-Kameras mit ein- oder zweistelliger Typenbezeichnung (1D, 5D, 50D, 40D, …) wäre das z.B. der „Canon TC-80 N3 Timer“. Leider passt er nicht an drei- oder vierstellige EOS-Modelle (400D, 450D, 1000D, …), weil diese Kameras einen anderen Kabelauslöser-Anschluss haben. Doch unter der Bezeichnung „Phottix TR-80 C1“ ist das gleiche Gerät auch für solche Kameras erhältlich (angeboten z.B. bei www.amazon.de). Wenn Sie sich auf die längste Belichtungszeit beschränken können, die an der Kamera noch einstellbar ist (in der Regel 30 Sekunden), reicht auch ein einfacher Kabelauslöser mit Feststellmechanismus aus, etwa der „Canon RS-60 E3“.
Canon bietet diese zwei Kabelauslöser an: Das einfache Modell RS-60 E3 (oben), bei dem sich der Auslöser verriegeln lässt. Er passt an alle drei- und vierstelligen Canon-EOS-Modelle (350D, 400D, 450D, 1000D, …). Ein- und zweistellige Canon-Modelle haben einen anderen Anschluss, an dem sich der programmierbare TC-80 N3 Timer (unten) anbringen lässt.
Weitere Hilfsmittel:
• Störlichtblende
Um die Einwirkung von seitlichem Fremdlicht abzuhalten und den möglichen Taubeschlag der Frontlinse hinauszuzögern.
Vorgehensweise
In früheren Tagen, als es noch keine Digitalkameras gab, wurden Strichspuraufnahmen auf Film mit einer einzigen, sehr langen Belichtungszeit aufgenommen. Oft blieb dazu der Verschluss der Kamera mehrere Stunden lang geöffnet. Auch heute noch ist das der einfachste Weg, um Strichspuraufnahmen zu gewinnen. Wer gerne und oft Strichspuraufnahmen machen möchte, findet darin vielleicht sogar eine lohnenswerte Beschäftigung für eine ältere, fast schon ausgemusterte Analogkamera.
Mit der Digitalkamera sind derart lange Belichtungszeiten nicht sinnvoll. Zum einen würde das elektronische Bildrauschen derart überhand nehmen, dass an ein brauchbares Ergebnis nicht zu denken ist. Zum anderen wäre damit die Überbelichtung von Vordergrundobjekten kaum zu vermeiden, insbesondere dann, wenn diese durch irdische Lichtquellen oder den Mond angeleuchtet werden.
Mit Digitalkameras werden aus diesem Grund viele kürzer belichtete Einzelaufnahmen - mit einer möglichst kurzen Pause dazwischen - erstellt und anschließend mit einem Bildverarbeitungsprogramm – etwa Adobe Photoshop (Elements) – zur endgültigen Strichspuraufnahme kombiniert.
1. Vorbereitung
Packen Sie Ihr gesamtes Zubehör in die Tasche und stellen Sie sicher, dass der Akku voll geladen ist. Digitalkameras benötigen nämlich auch während einer Langzeitbelichtung Energie. Je nach Kameramodell kann es sinnvoll sein, einen oder zwei Reserveakkus bereitzuhalten. Denken Sie dabei auch an den Leistungsverlust des Akkus bei niedrigen Temperaturen, etwa in einer kalten Winternacht.
2. Grundeinstellungen vornehmen
An der Kamera sind die folgenden Einstellungen vorzunehmen:
Dateiformat
Bei Strichspuraufnahmen empfehle ich das JPG-Format in seiner besten Auflösung, nicht das RAW-Format. Es gibt zwei Gründe, die dafür sprechen: Erstens müssen später Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Einzelbildern in Photoshop in Ebenen übereinander angeordnet werden. Dateien im RAW-Format erfordern einen höheren Zeitaufwand beim Öffnen und belegen mehr Speicher. Daher kann es schnell zu Engpässen beim Arbeitsspeicher kommen. Mit JPG-Dateien treten solche Probleme nicht oder verzögert auf. Zweitens benötigen manche Kameramodelle spürbar mehr Zeit für das Abspeichern von RAW-Dateien. Um der Gefahr zu begegnen, dass dadurch die Pause zwischen zwei Aufnahmen zu lang wird oder gar eine Aufnahme „ausgelassen“ wird, ist das JPG-Format zu bevorzugen.
Wenn Sie mit einer Kamera arbeiten, die schnell genug speichern kann und Ihr Computer mit Photoshop über entsprechende Leistungsreserven verfügt, können Sie selbstverständlich auch das RAW-Format einstellen.
Einstellung der Bildqualität bei einer Canon EOS 450D: Gewählt ist hier das JPG-Format in der besten Qualität (L für „Large“).
Bildstil (Picture-Style)
Fotos, die im JPG-Format aufgenommen werden, unterliegen den Einstellungen des jeweils ausgewählten Bildstils. Verwenden Sie am besten den Bildstil Neutral, weil dort die Schärfung auf Null steht, oder stellen Sie die Schärfung des von Ihnen bevorzugten Bildstils auf Null. Eine Nachschärfung von Sternen oder Sternspuren ist nicht ratsam.
Wahl des Bildstils „Neutral“ (Canon EOS 450D). Alle Einstellungen stehen auf Null, wobei besonders die Einstellung Null für die Schärfe wichtig ist.
ISO-Wert
Eine gute Empfehlung für den ISO-Wert abzugeben fällt schwer. Alles hängt ab von dem verwendeten Blendenwert, der Resthelligkeit des Nachthimmels und der Landschaft im Vordergrund sowie von der Belichtungszeit der Einzelaufnahmen. Bei Blende 1:2,8, einem guten, dunklen Standort in einer klaren Nacht, fernab von irdischen Lichtquellen, kann ISO 400 bei einer Belichtungszeit von jeweils 60 Sekunden ein guter Anhaltwert sein. Ist die Anfangsblende kleiner (etwa 1:4,0), mag ISO 800 besser sein. Sind die Bedingungen jedoch suboptimal, d.h. ist der Himmel durch den vollen Mond oder durch irdisches Streulicht aufgehellt, ist es möglicherweise besser, auf ISO 200 oder gar ISO 100 zu gehen.
Einstellung des ISO-Wertes 400 bei einer Canon EOS 450D.
Weißabgleich
Ein automatischer Weißabgleich (AWB bzw. AUTO) kann zu farblich unterschiedlichen Ergebnissen der Einzelaufnahmen führen. Besser ist daher die manuelle Einstellung auf Tageslicht (Symbol: Sonne).
Einstellung des Weißabgleichs bei einer Canon EOS 450D auf Tageslicht (5200 Kelvin).
Rauschreduzierung
Alle Funktionen, die eine Rauschreduktion nach der Aufnahme bewirken, etwa die Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtungen, müssen für Reihenaufnahmen ausgeschaltet werden. Andernfalls benötigt die Kamera nach jeder Aufnahme zu viel Zeit für diesen Prozess und die Pausen zwischen den Einzelfotos werden zu lang. Das betrifft auch die Einstellung High ISO Rauschreduzierung der neueren Canon EOS-Modelle.
Abschalten der Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtungen. Wählen Sie „Aus“ und nicht „Automatisch“.
Belichtungsprogramm
Infrage kommt nur die manuelle Einstellung (M). Entweder stellen Sie die Belichtungszeit auf den gewünschten Wert (z. B. 30 für 30 volle Sekunden) oder auf B bzw. BULB für beliebig lange Belichtungszeiten, die dann mit einem Timer gesteuert werden.
Einstellung der manuellen Belichtungssteuerung („M“) am Einstellrad einer Canon EOS 450D.
Blende
Starten Sie mit der Blende 1:2,8. Falls das verwendete Objektiv lichtstärker ist, blenden Sie es auf 1:2,8 ab. Steht diese Blende bei lichtschwächeren Objektiven nicht zur Verfügung, stellen Sie die größtmögliche Blendenöffnung (also die kleinste Blendenzahl) ein.
Einstellung der Blende 1:2,8 (Pfeil). Auch viele andere wichtige Einstellungen werden auf dem Display der Canon EOS 450D sichtbar.
Spiegelverriegelung
Diese Einstellung dient dazu, in manchen Fällen Verwacklungen durch den Spiegelschlag der Kamera zu verhindern. Für Serienaufnahmen ist sie nicht nutzbar und muss auf Aus stehen.
Die Spiegelverriegelung bleibt bei Serienaufnahmen für Strichspuraufnahmen abgeschaltet.
3. Aufnahmen machen
Wichtig ist es zunächst, einen guten Standort zu finden. Er sollte einerseits weit entfernt sein von dem „Lichtsmog“ größerer Städte, andererseits aber auch ein hübsches Vordergrundmotiv bieten. Es ist nämlich ratsam, nicht nur den Sternenhimmel zu fotografieren, sondern gleichzeitig eine Landschaft, einen Baum oder ein Gebäude einzubeziehen. Das sieht nicht nur stimmungsvoll aus, sondern erlaubt dem späteren Betrachter auch einen Größenvergleich.
Eine mondlose Nacht ist für Strichspuraufnahmen nicht unbedingt erforderlich. Manchmal kann es sogar sein, dass das Restlicht der Mondsichel die Szenerie im Vordergrund erst sichtbar werden lässt. Auch der Himmel nimmt durch das Mondlicht eine leicht bläuliche Farbe ein, was durchaus reizvoll sein kann. Eine Vollmondnacht hingegen wäre wieder des Guten zu viel, denn dann zwingt Sie der helle Mond zu sehr kurzen Belichtungszeiten, um Überbelichtungen zu vermeiden. Außerdem wird es bei Vollmond kaum gelingen, die Strichspuren lichtschwacher Sterne zu erfassen, wenn der Himmel zu stark aufgehellt ist.
Lassen Sie dann Ihre Kamera nebst Objektiv auf die Temperaturen der Nacht abkühlen, damit sich durch den Temperaturgradient im Laufe der Aufnahmeserie möglichst keine Verschiebung des Fokuspunktes ergibt. Die nächste Herausforderung besteht darin, den besten Fokuspunkt auf „Unendlich“ zu finden. Wie das am besten zu meistern ist, wurde bereits im ersten Teil dieses Tutorials („Stimmungsaufnahmen in der Dämmerung“) erläutert.
Klassisch zu nennen wäre die Blickrichtung nach Norden, um den Himmelspol im Bildfeld zu haben, um den herum sich die Sterne drehen. Das erfordert, dass Sie den Polarstern identifizieren und auf Ihrem Foto erfassen.
Besonders beliebt sind solche Strichspuraufnahmen, auf denen der Himmelspol, also der Drehpunkt, zu sehen ist. Sie sehen den Polarstern nicht? Richtig, denn diese Aufnahme entstand in Namibia, also auf der Südhalbkugel der Erde. Zu sehen ist daher nicht der Himmelsnord-, sondern der Himmelssüdpol. Dort gibt es leider keinen hellen Stern in der Nähe des Pols.
Wer das Sternbild „Großer Wagen“ (links im Bild) erst einmal gefunden hat, verfügt über einen guten Wegweiser zum Polarstern: Verlängert man nämlich seine Hinterkante um etwa das Fünffache (gelber Pfeil), stößt man auf den Polarstern (eingekreist). Der wiederum bildet das Ende der Deichsel des kleinen Wagens. Eine vom Polarstern senkrecht nach unten gedachte Linie zeigt auf die Himmelsrichtung Norden.
Jetzt kommt es darauf an, ob Sie mit einem einfachen Kabelauslöser arbeiten oder einen programmierbaren Timer angeschlossen haben. Ich möchte beide Verfahren erläutern:
Kabelauslöser
Um mit einem einfachen Kabelauslöser, dessen Auslöseknopf sich verriegeln lässt, eine automatisch ablaufende Aufnahmeserie zu bewerkstelligen, stellen Sie Ihre Kamera manuell auf 30 oder (falls möglich) auch auf 60 Sekunden Belichtungszeit ein. Verwenden Sie nicht die Einstellung B für BULB. Ändern Sie nun die Betriebsart Ihrer Kamera auf Reihenaufnahme, das ist die Serienbildfunktion, in der die Kamera so lange Bilder macht, wie der Auslöser gedrückt bleibt. Zum Starten der Serie drücken und verriegeln Sie den Auslöseknopf des Kabelauslösers. Zum Beenden der Serie wird der Auslöseknopf wieder entriegelt.
Programmierbarer Timer
Gegenüber einem einfachen Kabelauslöser bietet der programmierbare Timer mehr Komfort und Freiraum bei der Wahl der Belichtungszeit. Anhand des „Canon Timer Remote Controller TC-80N3“ möchte ich zeigen, wie eine Belichtungsserie programmiert werden kann. Jede Einzelbelichtung soll 60 Sekunden dauern und zwischen den Aufnahmen eine möglichst kurze Pause sein. Der erste Eintrag SELF bleibt auf der Grundeinstellung „00:00:00“. Das Intervall INT setzen Sie auf eine Sekunde („00:00:01“), die Langzeitbelichtung LONG auf eine Minute („00:01:00“) und die Anzahl der Aufnahme pro Serie (FRAMES) immer auf die maximale Zahl 99. Letzteres auch dann, wenn Sie eigentlich weniger Aufnahmen machen möchten, denn das Abbrechen einer Serie ist kein Problem, während die nahtlose Fortsetzung einer beendeten Serie schwierig sein kann. Die Kamera kann dabei im Betriebsmodus Reihenaufnahme oder Einzelbild stehen, die Belichtungszeit muss auf B für BULB gestellt werden. Mit dem Knopf START/STOP beginnen Sie Ihre Serie. Auch für einen vorzeitigen Abbruch drücken Sie diese Taste, nicht etwa den Auslöseknopf des Timers!
Einstellungen des „Canon Timer Remote Controller TC-80N3“, wie im Text beschrieben. Durch Drücken der START-/STOP-Taste (Pfeil) würde eine Serie aus 99 Einzelbildern gestartet werden. Jedes Bild wird eine Minute lang belichtet und zwischen den Bildern wird eine Sekunde Pause eingelegt.
Tipp: Manche neueren Kameras werden mit einer Software ausgeliefert, mit der programmierbare Aufnahmeserien möglich sind. Alle Canon EOS-Kameras ab den Modellen 1000D, 450D, 40D, 5D Mark II, 1D Mark III und 1Ds Mark III kommen beispielsweise mit der Software „EOS Utility“, die auf einem Computer, also einem Laptop, installiert wird und dann über das mitgelieferte USB-Kabel mit der Kamera kommuniziert.
Zwar entfällt dann die Notwendigkeit eines Kabelauslösers oder Timers, dafür muss aber der Laptop zum Aufnahmeort mitgenommen werden.
Die Programmierung einer Aufnahmeserie mit der Kamera-Steuerung „EOS-Utility“ von Canon. Durch Anklicken des Stoppuhr-Buttons (rechter Pfeil) öffnet sich das links gezeigte Dialogfeld. Tragen Sie bei „Langzeitaufnahme“ die gewünschte Belichtungszeit ein, in diesem Beispiel also eine Minute. Dann ist es wichtig, zu diesem Wert mindestens drei Sekunden zu addieren und das Ergebnis bei „Intervall-Timer-Aufnahme“ einzugeben. Addieren Sie weniger als drei Sekunden, kommt es vor, dass die Kamera hin und wieder eine Aufnahme auslässt! Abhängig ist dieser Wert vermutlich vom Kameratyp und der Geschwindigkeit der eingesetzten Speicherkarte. Unternehmen Sie am besten mit Ihrer Kamera „Trockenübungen“ am Tag.
Dieses Foto zeigt, was passiert, wenn die Pausen zwischen den Einzelaufnahmen zu lang sind. Dann sind die Strichspuren unterbrochen und weisen Lücken auf.
Bevor Sie starten, empfiehlt es sich, eine einzelne Probebelichtung mit den endgültigen Einstellungen zu machen und diese danach auf dem Kameradisplay kritisch zu begutachten. Prüfen Sie vor allem die Bildkomposition, die Schärfe und die Belichtung sorgfältig. Achten Sie darauf, dass keine Vordergrundobjekte überbelichtet sind, erkennbar an vollständig gesättigten Bildpartien.
Wenn die Belichtungsserie erst einmal läuft, dann heißt es „Daumen drücken“, damit keine Wolken aufziehen, nicht so viele Flugzeuge durch das Bild fliegen, die ihre Lichtspuren hinterlassen und Sie nicht aus Versehen gegen das Stativ stoßen.
4. Bildverarbeitung
Als Ergebnis der nächtlichen Aufnahmeserie liegt nun eine mehr oder minder große Zahl einzelner Fotos vor, die jetzt zu einer Strichspuraufnahme zusammengefügt werden müssen. Voraussetzung dafür ist, dass die Kamera während der Aufnahmeserie nicht bewegt wurde. D. h., die Bilder müssen, bis auf die Sterne, absolut deckungsgleich sein.
Um die nachfolgenden Schritte nachzuvollziehen, verwenden Sie am besten erst einmal die Beispielfotos, die diesem Tutorial als „Arbeitsdatei“ beiliegen. Es sind zehn Bilder mit den Dateinamen StarTrails01.jpg bis StarTrails10.jpg, die in der Reihenfolge der Nummerierung aufgenommen worden sind.
Öffnen Sie alle zehn Bilder gleichzeitig in Photoshop und wechseln Sie mit dem Befehl Fenster>StarTrails01.jpg zum ersten Bild der Serie. Um dieses nicht aus Versehen zu überschreiben, fertigen Sie davon eine Kopie an mit dem Befehl Bild>Duplizieren und tragen Sie in das Feld Als: einen neuen Namen ein, beispielsweise „StarTrailsFertig“. Bestätigen Sie mit OK.
Photoshop erzeugt nun eine neue Bilddatei mit dem Namen „StarTrailsFertig“, die uns als Arbeitsdatei dienen soll. In dieses Bild müssen nun alle anderen neun Fotos als jeweils eigene Ebene hineinkopiert werden.
Dazu wechseln Sie mit Fenster>StarTrails02.jpg zum zweiten Bild der Serie. Jetzt benötigen Sie die Ebenen-Palette, die Sie, falls sie im Moment ausgeblendet ist, mit der Taste F7 anzeigen können. Darin werden Sie die einzige Ebene dieses Bildes mit dem Namen „Hintergrund“ erkennen können. Klicken Sie mit der sekundären (also i.d.R. rechten) Maustaste auf das Wort „Hintergrund“ und wählen Sie aus dem erscheinenden Kontextmenü den Befehl Ebene duplizieren… Es erscheint ein Dialogfeld, in dem Sie als Ziel das „Dokument“ „StarTrailsFertig“ auswählen. Nach der Bestätigung mit OK landet eine Kopie dieses Bildes als neue Ebene in der Datei „StarTrailsFertig“.
Das Foto „StarTrails02.jpg“ wurde aktiviert. Hier ist die Ebenen-Palette rechts zu sehen und das Kontextmenü nach einem Klick mit der sekundären Maustaste auf der Ebene „Hintergrund“. Gesucht wird der Befehl „Ebene duplizieren“ (Pfeil).
Auf die gleiche Weise wie im letzten Absatz beschrieben verfahren Sie nun mit den restlichen Bildern „StarTrails03.jpg“ bis „StarTrails10.jpg“. Danach wählen Sie den Befehl Fenster>StarTrailsFertig, um zur Arbeitsdatei zurückzukehren und das vorläufige Ergebnis Ihrer Arbeit zu sehen. Diese Datei besteht jetzt aus 10 Ebenen.
Hier abgebildet ist die Arbeitsdatei „StarTrailsFertig“, bestehend aus insgesamt zehn Ebenen. Die Ebenen-Palette (rechts) zeigt die Ebenen an. Sichtbar jedoch ist im Moment nur die oberste Ebene.
Nun kommt der Trick der Sache: Alle Ebenen, mit Ausnahme der untersten mit dem Namen „Hintergrund“, werden auf den Überblendmodus Aufhellen statt Normal umgestellt. Dazu muss jede einzelne der neun Ebenen nacheinander angeklickt (und damit aktiviert) werden. Anschließend ist neben der Einstellung Normal das Listenfeld aufzuklappen und der Eintrag Aufhellen zu wählen.
Arbeiten Sie sich dabei am besten von der obersten Ebene nach unten durch, dann sehen Sie, wie die Sternspuren immer länger werden, ein tolles Erlebnis!
Alle Ebenen, mit Ausnahme der untersten, werden in der Ebenen-Palette einzeln angeklickt (unterer Pfeil), um danach den Überblendmodus von „Normal“ auf „Aufhellen“ zu ändern (oberer Pfeil).
Zum Schluss fügen Sie alle Ebenen zu einer einzigen zusammen, nämlich mit dem Befehl Ebene>Auf Hintergrundebene reduzieren. Am besten speichern Sie das Resultat auch gleich im PSD-Format ab: Datei>Datei speichern unter…, Format: Photoshop (*.PSD; *.PDD).
Wenn Ihre Serie aus mehr als zehn Bildern besteht, würden Sie jetzt alle Bilddateien außer der gerade gespeicherten schließen, um Arbeitsspeicher freizumachen, und die nächsten zehn Bilder der Serie öffnen. Mit diesen wird in gleicher Weise verfahren, wie es oben beschrieben wurde. Auf diesem Weg lässt sich auch eine große Zahl von Einzelbildern verarbeiten, ohne dass es zu Speicher-Engpässen kommt.
Tipp: Ebenen lassen sich auch mit Drag&Drop, also einer Ziehbewegung mit der Maus, von einer Bilddatei in eine andere verschieben, was allerdings ein wenig Übung erfordert.
Wenn am Ende alle Einzelbilder hinzugefügt wurden, der Überblendmodus auf Aufhellen gestellt wurde und alle Ebenen auf die Hintergrundebene reduziert sind, sind Sie am Ziel. Falls notwendig, können Sie mit den üblichen Mitteln letzte Korrekturen vornehmen, beispielsweise eine Anpassung der Farbbalance, der Helligkeit oder des Kontrasts.
Tipp: Eine Alternative zu Photoshop stellt das kleine Programm „Startrails“ dar, das in der Version 1.1 vorliegt und von der Webseite www.startrails.de kostenfrei heruntergeladen werden kann.
Screenshot der Freeware „Startrails“. Der Pfeil weist auf den Knopf hin, mit dem die Strichspuraufnahme entsteht, nachdem alle Einzelbilder geöffnet worden sind (linke Spalte).
5. Beispielaufnahmen
Strichspuren über der Sternwarte „Gemini South“ in Chile. Verwendet wurden 100 Einzelaufnahmen mit je einer Minute Belichtungszeit bei Blende 1:2,8, ISO 800 und einem 35-mm-Objektiv. Der Himmelssüdpol liegt knapp außerhalb des linken Bildrandes.
Auch bei dieser Aufnahme der Sternwarte Welzheim bei Stuttgart ist der Himmels(nord)pol nicht abgebildet. Sie entstand mit einer Canon EOS 20D bei 10mm Brennweite, Blende 4 und ISO 800. 68 Einzelbelichtungen à 60 Sekunden Belichtungszeit wurden montiert.
Aufgang des Sternhaufens „Plejaden“, auch Siebengestirn genannt. Um ein solches Foto zu machen, ist etwas Himmelskunde von Vorteil, dann weiß man nämlich, dass und wo die Plejaden erscheinen werden. Die Aufnahmeserie muss natürlich gestartet werden, bevor sie sichtbar werden. Verwendet wurde ein 200-mm-Teleobjektiv bei Blende 1:2,8. Entstanden ist das Bild 2006 im Iran.
Dieses Bild ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Himmelspol nicht unbedingt abgebildet werden muss. Legen Sie stattdessen Wert auf einen wirksamen Vordergrund, zum Beispiel eine schöne Landschaft.
Nanu? Der große Wagen (der hier eingezeichnet ist, um ihn besser zu erkennen) steht auf dem Kopf? Die Erklärung ist einfach: Das Foto wurde in Namibia aufgenommen, also auf der Südhalbkugel der Erde. Dort gehen die Sterne des großen Wagens in nördlicher Richtung auf, erreichen keine große Höhe und gehen schon nach kurzer Zeit wieder unter.
Eine Strichspuraufnahme in Südrichtung: Manche Sterne erheben sich dort nur für kurze Zeit über den Horizont.
Hinweis in eigener Sache:
Alle verwendeten Fotos entstanden auf die im Tutorial beschriebene Art und Weise. In keinem Fall wurden zusätzliche Bildelemente – etwa Vordergrundobjekte – aus anderen Aufnahmen zusätzlich einmontiert.